ÜBER ERLEUCHTUNG

Und es begab sich also zu der Zeit, als Ralf sich auf den Weg nach Halle an der Saale machte, um einen Zen Tempel aufzusuchen. Dort wollte er drei Tage zusammen mit anderen Suchenden an einem Sesshin teilnehmen- sozusagen ein Meditationsmarathon ... naja ein halber.

 

Ein großer Zen Meister aus Japan wäre auch dort um über das Thema Erleuchtung zu referieren. Gut das ich meine Taschenlampe dabei hatte, denn der Meister begann sein Referat mit dem Titel : "Erleuchtung ist Quatsch".

 

Lest hier meine Eindrücke aus dem Zen Tempel Wolkentor. Viel Freude !


Ich beginne mit der Vorstellung der Meister : 

MUHO

... alias Olaf Nölke ist mir seit Beginn der Corona Zeit bekannt. Irgendwann entdeckte ich ihn bei YouTube, als er auf seinem Kanal total sympathisch, authentisch und witzig über Buddhismus und Zen "schwurbelte", so wie er es selbst nannte.

 

In Deutschland geboren verlor er früh seine Mutter und nahm in der Schule an einem Meditationsseminar teil. Das wiederum faszinierte ihn so sehr, das er später Japanologie studierte, nach Japan ging und im abgelegenen Kloster Antaiji nach Antworten suchte.

 

 

Und dort beginnt alles wie in einem Karate Kid Film.

Ein abweisender Meister, der ihn erstmal über ein Jahr nur putzen und kochen lässt, ohne jemals Lob zu erhalten bis er eines Tages wütend rief :"Ich bin doch nicht zum Kochen hergekommen!".

Der Abt schrie zurück : "Es geht hier nicht um Dich !"

 

Wo viele Menschen frustriert aufgegeben hätten blieb er, und nach einem tödlichen Unfall des Abtes Jahre später, wurde er sein Nachfolger und blieb es für 18 Jahre. Abt eines Klosters ohne fliessend Wasser und Strom, wo Feldarbeit und Holzhacken lebensnotwendig war.

 

Heute lebt er mit seiner Familie in Osaka, reist durch die Welt für Vorträge, schrieb diverse Bücher und ist mittlerweile ein kleiner YouTube Star - https://www.youtube.com/c/sendaba


DIRK RYU KÜNNE

... der wirklich so heisst, ist Jahrgang 1976, ein richtig netter Kerl, und wuchs an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze bei Helmstedt auf. Ihn fand ich durch einige YouTube Videos in denen er mit Muho über die verschiedenen Strömungen des ZEN diskutierte. Er gehört nämlich dem RINZAI an, währenddessen Muho SOTO praktiziert. Dazu später mehr.

 

Dirk erzählte während des Sesshins seine Lebensgeschichte, welche geprägt war von Grenzerfahrungen. Sei es sein Wohnort, Linksextremismus, Autonome, Terroristen, Drogen, tote Freunde in der WG und einer Art Erleuchtung (Kensho), die ihm beim Blick aus dem Fenster geschah.

 

So fand er über Umwege seinen Weg, folgt ihm und wurde 2006 Zen Meister in der Linie des Saidan Oi Ro DaiShi. Heute betreibt er in Halle an der Saale den Zen Tempel Wolkentor - https://www.wolkentor-zen.de/


DAS SESSHIN - TAG 1

Irgendwie hatte ich es völlig verpennt, das MUHO nach Deutschland kommt, als mich Facebook daran erinnerte - eine Woche vor dem Sesshin ! Da ich wußte, das es nur 20 Plätze zu vergeben gab, hatte ich wenig Hoffnung teilnehmen zu können, aber wer nicht fragt, der nicht gewinnt ;) 

 

Ich schrieb Dirk eine nette Mail und erhielt eine nette Antwort : "Dich können wir noch dazwischenquetschen !

Allerdings haben wir kein Zimmer mehr frei, aber du kannst im Zendo auf den Tatami Matten mit Schlafsack schlafen."

 

Das Abenteuer Sesshin (eine Art Retreat im Tempel) begann genau jetzt !


Die Anreise dauerte aufgrund vieler Staus fast sechs Stunden, aber ich stimmte mich unterwegs mit dem Hörbuch "Zen-Geist - Anfänger-Geist von Shunryu Suzuki" schon mal etwas ein. 

 

Der Empfang im Zen Tempel Wolkentor war freundlich. Ich kam etwas verspätet, daher waren die anderen Teilnehmer gerade bei der Suppe. 

 

Einige saßen in der Küche, andere bei Sonnenschein im nett gestalteten Garten - ich entschied mich für eine Suppe draussen und knüpfte erste lose Kontakte. 


Kurz danach zog ich meine bequeme schwarze Meditationskleidung an und begab mich direkt in das Zendo.

 

Ein Blick auf den Stundenplan (klickt ihn gerne an, um ihn zu lesen) zeigte mir, was mich an diesem Wochenende erwartet : Zazen, Zazen und nochmal Zazen - mit ein paar kleinen Pausen um zu essen. Viel Zeit die ich mit mir allein in Stille verbringen werde,

 

Zazen ist übrigens das japanische Wort für "Meditation im Sitzen".


Das Zendo war wirklich optisch der Hammer.

Ich suchte mir direkt einen Platz auf der Empore.

 

Die Einweisung in den Ablauf des Sesshins hatte auch ein paar kleinere Überraschungen bereit :

 

- Schmerzen aushalten

- nicht bewegen beim Zazen

- nicht kratzen wenn's juckt

- wer spült das Geschirr ?

- wer schneidet das Gemüse ?

- wer reinigt die Toiletten ?

 

Ich ergatterte gerade noch rechtzeitig einen der begehrten Spülerjobs ;)

Wenn der Ton die Musik macht, kam ich mir in diesem Moment vor wie bei der Grundausbildung der Bundeswehr - das sollte auch so bleiben und es gehört irgendwie auch zur Tradition !


ZAZEN

Und so folgten die ersten 25 Minuten Meditation, gefolgt von 15 Minuten Kinhin - der japanischen Gehmeditation - wo wir alle im Gleichschritt durch den Garten marschierten. Nur nicht trödeln ! Lücken schliessen ! Zwei Holzklötze gaben das Tempo an - und auch das Ende.

Also wieder hinein, im Uhrzeigersinn an den Platz, eine Verbeugung und wieder Zazen - alles in Stille.

 

Insgesamt saßen wir 4 x 25 Minuten und praktizierten 2 x 15 Minuten Kinhin an diesem Tag.

 

Jeder der schonmal meditiert hat, weiß, das man die Gedanken nicht stoppen kann. Sie kommen wahllos, und gerade wenn man an etwas nicht denken will, wird es umso schlimmer ;) Ein Zen Meister sagte einmal : Lass Gedanken kommen und gehen .. lass die Tür in deinem Geist offen .. serviere ihnen nur keinen Tee !

 

Ich meditiere seit 1999 regelmäßig, und auch bei mir spielt der Kopf ab und an verrückt. Meistens fokussiere ich mich dann auf den Atem und bin wieder ganz präsent. Manchmal schliesse ich auch die Augen. Manchmal auch nur halb, doch dann erzeugt mein Verstand plötzlich wirre Bilder, die aussehen wie ein Negativ im Fotoapparat und der Mönch vor mir war sogar plötzlich kopflos ;)

 

Besonders fasziniert war ich allerdings vom Ritual des letzten Zazen des Tages, denn da rezitierten wir Sutren, unter anderem das Herz-Sutra Hannyah Shingyo. Im Foto des Raumes oben seht ihr eine Trommel. Ich meine es ist eine Taiko, und als Dirk diese wie der Kapitän einer Galeere im immer gleich Takt schlug während wir aus unserem Buch die Sutren in japanischer Lautsprache laut aufsagten, vibrierte mein ganzer Körper. Das war richtig abgefahren !

 

Stellt es euch ungefähr so wie im folgenden Video vor :



Als es Schlafenszeit wurde, entschloss ich mich nicht in der Zendo zu übernachten.

Die Fahrt nach Halle war sehr anstrengend, die Beine und der Rücken taten weh und ich sehnte mich nach dem Luxus eines Bettes anstatt der Tatami Matte auf der ich eh morgen den ganzen Tag sitze. Ja ich bin ein Weichei und so fuhr ich zu einer Ferienwohnung, in der ich dann gruselig bis gar nicht schlief, da der Kopf sehr mit sich selbst beschäftigt war ;)


DAS SESSHIN - TAG 2

Ich fuhr die 10 Minuten zum Tempel, um bereits um kurz nach 6 anzukommen wo alle noch schliefen. Im fahlen Licht des Mondes entschied ich mich für eine Runde Qi Gong an der frischen Luft im Garten.

 

Nach der ersten Runde Zazen gab es zum Frühstück Porridge und Tee. Wer wollte konnte sich auch gern einen Kaffee aus dem Automaten ziehen - eine Einladung die ich äußerst selten ablehne ;). Kaffee ist für Fluglotsen so etwas wie Lebenselixier.

 

Nun hatte ich zum ersten Mal die Chance auf Smalltalk, den viele ausgiebig nutzen, aber ich mich doch zurückhielt. Irgendwie war mir mehr nach Ruhe.


Die nächsten ZaZen Sitzungen bis zum Mittag waren tatsächlich für mich wie im Flug vergangen.

Ich hatte durch ein zweites Sitzkissen meine Position verändert und erheblich weniger Schmerzen in der Rückseite des Oberschenkels als am Tag zuvor. Auch disziplinierte ich mich in der aufrechten Haltung und spielt mit meinem Atem. Die Zeit verging wahrlich wie im Fluge.

 

Ich musste auch meinen Platz auf der Empore verlassen und mich auf den Boden setzen, da ein Fotograf den folgenden Vortrag von Muho festhielt und er an meinem Platz eine gute Sicht hatte. Ich sah es als Erdung ;)

 

Die Vorträge von Muho und Dirk waren dann für mich beeindruckend, denn die beiden zeigte die Unterschiede zwischen Soto und Rinzai - den beiden Strömungen des Zen - für uns auf. Grob wiederholt wären diese :

 

- Soto meditierende schauen an eine Wand

- Rinzai meditierende schauen in den Raum

- Soto meditierende praktizieren das Shikantaza (Nur Sitzen) ohne weiteren Hokuspokus

- Rinsai praktizierende erhalten unlösbare Rätsel, sogenannte Koans 

- Soto meditierende praktizieren Mushotoku (ohne Streben) also nicht um einer Erleuchtung willen sitzen

- Rinsai praktizierende übermitteln ihre Lösung des Koans im Doksuan (Einzelbesuch) Meister mit dem Ziel     Kensho (Momente des Erwachens) zu erleben und Satori (Erleuchtung) zu erlangen

 

Alles klar ?


ZAZEN BRINGT NIX

"Erleuchtung ist Quatsch". Diese Aussage von Dirk Ryu Künne griff Muho in seinem Vortrag auf. Da kann man schonmal zuhören.

 

Erleuchtung ist ja ein Begriff der auch mit"plötzlicher Erkenntnis" dargestellt werden kann. Man erkennt das Große Ganze, hat die Zahl 42 entziffert ;)

 

Wenn aber die Intention bei der Meditation des Einzelnen ist, erleuchtet zu werden, ist es Quatsch, denn Meditation ist kein Mittel zum Zweck. Es ist auch keine Entspannungmehtode. Meditation ist lediglich völliges Gewahrsein im jetzigen Moment - mehr nicht, aber auch nicht weniger !

 

Und vertraue schon gar nicht einem, der dir von seinem ach so beeindruckenden Erleuchtungsereignis erzählt.

Wenn du eines hattest - schön. Ist auch schon wieder vorbei. Erleuchtung ist also nicht nur Quatsch, sondern auch Quark. Und der Quark von letzter Woche schmeckt nicht mehr, also biete ihm niemanden an.

 

Warum also meditieren ? Warum das Ganze ? Finde es selber raus !


GEHEIMNISVOLLES ZEN

Was nehme ich aus diesem Wochenende mit ? Zen steckt voller Geheimnisse und Rätsel und gerade das macht es so spannend. Es ist in seiner Sprache klar und verworren zugleich.

 

Im Zazen bin ich bei mir, verbringe Zeit mit mir, frage mich :"Wer bist du eigentlich?". Ich sitze achtsam und aufrecht, beobachte den Atem und bin weit weit weg von allen Ablenkungen des Alltages.

Der Puls wird ruhiger und ich spüre wie der Akku auflädt, und über allem schwebt diese Klarheit.

Wenn ich dich neugierig gemacht habe, melde dich gerne und ich gebe dir eine Einweisung und wir meditieren zusammen - in real oder über Zoom. Vieles ist möglich. 

 

Ich schliesse diesen kleinen Artikel mit einem Dank an Dirk vom Wolkentor in Halle für diese Möglichkeit und Einsichten welche er mir eröffnete.

 

Und mit einem Video.

Wenn man Zen beschreiben könnte, dann vielleicht so.

Sehr sinnvoll investierte 15 Minuten ! Glaub mir ! 

Dein Gedankenlotse


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Kommentare: 1
  • #1

    Tobias Moses (Samstag, 01 Oktober 2022 13:00)

    Sehr schön geschrieben und schön dich endlich mal persönlich kennen zu lernen. Tut mir leid das du wegen mir den Platz auf der Empore gegen den Platz auf der Tatami eintauschen musstest. Es wäre aus meiner Sicht nicht nötig gewesen.

    Vielleicht bis zum nächsten Sesshin. Herzliche Grüße, Tobias